Archiv 2005 - 2001

11.04.2003

Tora als „Blaupause zur Harmonie“

Pressemitteilung: Tora als „Blaupause zur Harmonie“. Landesrabbiner referiert bei Lehrerfortbildung

- -
   
Landesrabbiner Dr. Henry Brandt

Brandt referierte im Rahmen einer Lehrerfortbildung im Haus Stapelage bei Detmold über das grundlegende Regelwerk des jüdischen Glaubens. Zu der einzigen ökumenischen Lehrerfortbildung dieser Art in Nordrhein-Westfalen hatten die Lippische Landeskirche und das katholische Dekanat Lippe eingeladen. Brandt wandte sich vor den rund 25 Religionslehrerinnen und –lehrern gegen die traditionelle Übersetzung des Begriffes Tora als Gesetz. Die Tora sind die fünf Bücher Mose, erläuterte der Landesrabbiner. Und auch wenn die Tora als heilige Schrift des Judentums damit die Zehn Gebote enthalte, schaffe sie keine Beziehung von reinem Befehl und Gehorsam zwischen Gott und den Menschen: „Es ist deshalb angemessener, das Wort Tora mit Unterweisung oder Lehre zu übersetzen.“
Über den göttlichen Ursprung der Tora seien sich alle Juden einig, egal ob liberal, konservativ oder orthodox. Doch dann begännen die Unterschiede zwischen den Strömungen des jüdischen Glaubens. Für Brandt ist das Wort Gottes nicht in menschliche Worte zu kleiden. Umgekehrt sei der Mensch aufgrund seiner natürlichen Beschränkungen nicht in der Lage, das Göttliche voll zu erfassen. „Und so ist die Tora zwar göttlichen Ursprungs, aber eben doch von Menschen überliefert, von Menschen niedergeschrieben. Sie bedarf der Interpretation. Dann ist sie auch in der Moderne ein echter Leitfaden des Lebens. Nicht alles steht ausdrücklich in der Tora, aber wir können alles darin finden.“
Brandts Beispiele waren eingängig. Die insgesamt 613 Gebote der Tora – nicht etwa nur die bekannten Zehn Gebote – seien auch heute noch relevant, wenn man sie nicht wörtlich nehme. „So verfügt die Schrift: Du sollst keinen Mühlstein zum Pfand nehmen. Sicher, niemand besitzt heute noch Mühlsteine. Aber das Gebot meint, dass den Menschen das Existenzminimum zu garantieren sei – damals wie heute. Als der Text geschrieben wurde, waren Mühlsteine zur Herstellung von Mehl und damit zur Ernährung der Familie unverzichtbar.“ Das Ziel der Tora sei die Bewahrung menschlichen Lebens, fasste Brandt zusammen. Lebensrettung sei ihr zentrales Gebot. Andere Gebote, wie die Heiligung des Sabbat, dürften und müssten übertreten werden, um Leben zu retten.
Brandts Vortrag bildete einen der thematischen Schwerpunkte dieses Seminars, das Landespfarrer Günter Puzberg und der katholische Schulbeauftragte Diether Wegener organisiert hatten. Insgesamt drei Tage suchten die Lehrerinnen und Lehrer die Begegnung mit dem Judentum. Sie informierten sich über die Hintergründe des Pessachfestes, über modernen Antisemitismus, aber auch über Unterrichtsmaterialien zum Thema.
Mit dem Seminar kam eine Veranstaltungsreihe zu den drei Religionen Judentum, Christentum und Islam zum Abschluss, die sich alle auf Abraham beziehen. „Die Religionen wissen zu wenig voneinander“, meinen Wegener und Puzberg. Diese Lehrerfortbildung hat wohl dazu beitragen, etwas mehr voneinander zu erfahren.

  • Twitter
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Windows Live