Archiv 2005 - 2001

03.01.2003

Schnittpunkte von Wort und Bild

Pressemitteilung: Der Bilderzyklus „Apokalypse“ von Uwe Appold ist ab Januar in neun Detmolder Kirchen zu sehen

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Das Weltgericht nach Offenbarung 20,11-15. 340 x 300 cm, Acryl, Sand, Blattgold, Holz auf Leinwand. Das Bild wird in der Heilig-Kreuz-Kirche ausgestellt. Foto: Katalog

Herr Appold, warum sollte sich ein heutiger Mensch mit den fast 2000 alten Visionen des Sehers Johannes befassen?
Appold: Zunächst sind sie ein Bestandteil der europäischen Kulturgeschichte, gehören zur Ursuppe dessen, aus dem sich unsere Kultur entwickelt hat. Zum andern: Endzeitvisionen hat es immer wieder gegeben, eben auch heute. Und gerade heute brauchen wir zutiefst die Botschaft dieser Offenbarung: die Botschaft der Hoffnung.
Sie haben von Ihrem Bilderzyklus gesagt, er sei keine Interpretation der Johannes-Offenbarung, sondern eine Spiegelung: Sie setzen den biblischen Visionen eigene entgegen. Welche?
Appold: Ich suche nach Schnittstellen, Schnittpunkten von Wort und Bild. Ich versuche ein bildliches Vokabular zu entwickeln, eine Art Grammatik der Bilder, die ich dann anwende.
Ein Beispiel?
Appold: Bild 37 ist dem Weltgericht gewidmet. Recht und Gerechtigkeit sind ja brandaktuelle Stichworte. Die in Reihen angeordneten Quadrate aus Blattgold reichen über den oberen Bildrand hinaus: hier zeigt sich eine andere Ordnung. Im Weltgericht geht es um eine Gerechtigkeit, für die unsere menschlichen Maßstäbe nicht gelten.
Ihre Bilder sind abstrakt, lassen manches erahnen. Die Offenbarung mit ihren Widersprüchen und schwer verständlichen Bildern macht es dem Leser nicht leicht. Wollen Sie es dem Betrachter Ihrer Bilder ebenfalls nicht leicht machen?
Appold: Ich kann es ihm gar nicht leicht machen – wer sich mit der Apokalypse beschäftigt, muss sich herausfordern lassen. Aber ich gebe ja auch Sehhilfen: Da sind die Grundformen Kreis und Quadrat, die für Himmel und Erde stehen. Da ist die Begrenzung auf die drei Grundfarben Rot, Gelb und Blau. Es gibt Schriftelemente, die sich lesen lassen, es gibt Kontraste: hell – dunkel, rund – eckig. Das sind Zeichen, die sich durchziehen. Oder: Den Bildern von den sieben Sendschreiben habe ich ein menschliches Maß gegeben. Sie sind alle 1,80 mal 60 Zentimeter groß – meine eigenen Körpermaße. Was drinsteht, können wir zwar immer noch nicht lesen, weil wir nicht die Empfänger sind, aber es ist zumindest äußerlich eine Annäherung.
Die Apokalypse des Johannes enthält Horrorszenarien: Hagel und Feuer, mit Blut vermengt, menschenfressende Insekten, ein Meer vergifteten Wassers. Trotzdem haben Sie diesen biblischen Text als „Trostbuch“ bezeichnet. Warum?
Appold: Historisch: Er ist entstanden in der Zeit der Christenverfolgungen im römischen Kaiserreich. Die Verheißung, Rom werde untergehen, hat sich bekanntlich erfüllt. Aber dann ist das Offenbarungsbuch auch große Literatur: Das Schreckliche lässt den tröstlichen Schluss um so wirkungsvoller werden. Das zeigt ein Stück der Bewegung der Menschheitsgeschichte. Nehmen wir das Beispiel mit den Insekten, die Menschen abscheulich quälen. Die Menschen bitten um den Tod, sie flehen den Tod an, sie zu erlösen. Und dann heißt es: „Der Tod flieht die Menschen.“ Die Gnade der Endlichkeit wird verweigert, das göttliche Prinzip aufgehoben. Denn wenn es keine Endlichkeit mehr gibt, haben wir auch keine Unendlichkeit mehr. Wenn Anfang und Ende aufgehoben werden, wird es unmöglich zu leben. Die Schöpfung wird negiert. Um so befreiender die abschließende Auflösung, die Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde.
Was bedeutet das für Sie persönlich?
Appold: Ich bin Christ, ich nehme das ernst.
Seit die Kunst wie im Mittelalter der Kirche nicht mehr ausschließlich dient, ist das Verhältnis von Kunst und Kirche bisweilen schwierig geworden. Wo sehen Sie sich in diesem Spannungsfeld?
Appold: Kunst ist in der Tat nicht die Magd der Kirche. Als Künstler stelle ich Fragen, gebe auch Antworten. Ich glaube, unsere Zeit braucht ganz notwendig eine Kunst, die existenzielle Fragen aufwirft. Christliche Kunst kann das.
Interview: Andreas Duderstedt
Nähere Informationen zu Ausstellung und Begleitprogramm

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