Archiv 2005 - 2001

12.11.2002

Gott als beleidigte Leberwurst?

Pressemitteilung: Vortrag über Gewalt in der Bibel im Gemeindehaus Heilig Kreuz

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„Die Menschen haben mit Gott ernsthaft zu rechnen“: Professor Rainer Dillmann sprach über die Gericht und Verdammnis in der Bibel.

Das Thema des Theologen von der Katholischen Fachhochschule Paderborn war also die „Kehrseite“ des christlichen Glaubens. Professor Dillmann wies auf Stellen des Neuen Testamentes hin, in denen Jesus von Gericht und Verdammnis spricht. Dem Referenten ging es darum, diese biblischen Aussagen für die heutige Zeit auszulegen und für jeden verständlich zu machen.
Zunächst sprach Dillmann vom antiken Weltbild, in dem der Mensch entweder auf der Seite des Bösen oder des Guten gestanden habe. Die Bibel besagt nach seinen Worten also, dass Gott – und Jesus – die Menschen weg von der „bösen“ zu „guten“ Seite habe ziehen wollen. In unserem heutigen naturwissenschaftlich geprägtem Weltbild dagegen sei durchaus ein Mittelweg vorhanden, auf dem sich die meisten Menschen nach eigener Einschätzung befinden. Deshalb sei es schwierig, die Texte über Gottes Gerichtsprechung zu verstehen.
Außerdem sei das heutige Gerechtigkeitsempfinden mehr auf den Täter als auf das Opfer fixiert. Die Bibel dagegen verspreche einem wehrlosen Opfer Gerechtigkeit auf einer Ebene, die eine aufgeklärte Gesellschaft nicht kennt: „Wir haben verlernt, die Tiefendimension unserer Wirklichkeit zu begreifen“, so Dillmann. Man solle sich Gott nicht als jemanden vorstellen, „der wie eine beleidigte Leberwurst schmollt und auf Rache sinnt.“ Vielmehr gehe es darum, die Würde des Opfers wieder herzustellen. Trotz der Ankündigung des Gerichts sieht der Paderborner Dozent die Vergebung als zentralen Punkt christlichen Glaubens: Weil Gott den Menschen vergebe, sollen die Menschen sich untereinander vergeben - tun sie das nicht, werden sie selbst von Gott gerichtet.
Der Theologe ließ dabei offen, wie genau das von der Bibel genannte Gericht ablaufen werde. Es gebe „keine konkreten Angaben, wer in der Hölle landet“, sagte er und erklärte, dass er die Bibeltexte nicht „fundamentalistisch“ interpretieren könne. Er gehe davon aus, das letztendlich alle Menschen in die Ewigkeit aufgenommen würden, allerdings erst „nach einem schmerzlichen Prozess“, dessen Ziel es sei, dass Gott sich mit seiner Schöpfung wieder vereinigt. Auch in der anschließenden Diskussionsrunde wurde der Referent mit schwierigen Fragen konfrontiert, etwa: Wie kann Gott es zulassen, dass in seiner Welt soviel Schlimmes passiert? Antwort: Dies ist auch ein Ergebnis unseres freien Willens: „Die Willensfreiheit führt zwangsläufig dazu, dass Menschen sich für oder gegen Gottes Willen richten.“ Dagegen sei von Gott für die Ewigkeit eine neue Welt angekündigt worden. Das Fazit aus den manchmal bedrohlichen Aussagen der Bibel ist für Dillmann, dass die Menschen „mit Gott ernsthaft zu rechnen haben“, auch wenn ihnen die Vergebung versprochen wurde.

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