Archiv 2005 - 2001

26.11.2001

Freier Blick, weites Herz

Pressemitteilung: Bericht des Landeskirchenrates vor der Synode

„Der Beginn menschlichen Lebens geschieht in der Verschmelzung von Ei und Samenzelle“, stellte der leitende Theologe fest und wies auf den besonderen Schutz hin, unter dem Embryonen stehen. Der Umgang mit Schwangerschaftskonflikten und die Achtung vor der Entscheidung der Frauen könne den geplanten Zugriff auf Embryonen zum Zweck von Züchtungsprogrammen von Zellen nicht rechtfertigen. Die Forschung an erwachsenen Stammzellen sei dagegen eine förderungswürdige Möglichkeit.
Der Landessuperintendent sprach von den Christen mit Blick auf den internationalen Terror als „Botschafter der Ermutigung, der Vergewisserung“. Politische Entscheidungen seien darauf zu befragen, „wo die Sorge um Frieden und Gerechtigkeit in Rache und Vergeltung umzuschlagen droht, wo über das Maß des Notwendigen hinaus Leiden von unschuldigen Menschen in Kauf genommen werden, wo die Eigendynamik des militärischen Einsatzes die Friedensbemühungen aufs Spiel setzt oder verdirbt“. Einfache Erklärungsmuster taugten nicht für terroristische Gewalt. Zu ihrer Überwindung bleibe es dringende Aufgabe, das friedliche Miteinander der Religionen zu fördern und beharrlich für Gerechtigkeit zu arbeiten. Christen und Muslime sollten Gemeinsamkeiten „ergründen und bewähren“, aber auch die Unterschiede benennen. Das klare Zeugnis von Christus ist nach Noltensmeiers Überzeugung hilfreich für den Dialog, der unangenehme Fragen auf beiden Seiten nicht aussparen dürfe.
Nicht weiter eingeschränkt werden sollte das Grundrecht auf Asyl für Verfolgte. Der Landessuperintendent warnte vor einer überzogenen Missbrauchsdiskussion: „Es geht nicht an, Betroffene pauschal zu denunzieren. Asylrecht ist kein Gnadenrecht.“
Noltensmeier sprach von einer Kirche, „der im Hören auf die Schrift und in der Offenheit für die Welt in ökumenischer Weite und diakonischer Verpflichtung der freie Blick und ein weites Herz geschenkt ist“. Er ging auch auf das Thema der gleichgeschlechtlichen Liebe ein, zu dem er sich vor einiger Zeit in einem Rundbrief an die Gemeinden geäußert hat. Liebe, verstanden als Verheißung des Lebens und als Richtschnur für verantwortliches Miteinander, sei immer „anspruchsvoll, verbindlich und hilft, die Geister zu unterscheiden“ – keineswegs dürfe alles mit dem „Mantel der Liebe“ zugedeckt werden.
Im Blick auf die Mitgliedschaft in der Lippischen Landeskirche, zu der 207.000 Personen oder 56,7 Prozent der Bewohner des Kreises Lippe gehören, sprach der Vorsitzende des Landeskirchenrates von „Anerkennung, Wertschätzung und zugleich Erwartung“ an die Kirche. Er wies darauf hin, dass heute Traditionen keine Bindungen mehr begründen und dass die eigenen Verpflichtungen höchst individuell geordnet und bis hin zur Kirchensteuer geprüft werden.
Der Bericht bilanzierte auch die Bemühungen, im Pfarrberuf einer neuen Situation gerecht zu werden. Das bis Ende des Jahres befristete Vorruhestandsmodell, das Pfarrern bestimmter Jahrgänge die Möglichkeit gab, mit 58 Jahren in Pension zu gehen, habe „viel Bewegung mit sich gebracht, die den Jüngeren manche Chance eröffnet hat“. Kein lippischer Theologe, keine Theologin mit erwiesener Qualifikation ist zur Zeit arbeitslos. Angesichts künftig knapper werdender Stellen brauche es aber auch weiterhin „Solidarität und Flexibilität“. Das gilt, so Noltensmeier, auch für Überlegungen, die Landeskirche regional und konfessionell neu zu gliedern. Er berichtete von zahlreichen Gesprächen auf verschiedenen Ebenen „über Kooperation und Konkurrenz, über Vertrauen und Rivalität“ verschiedener Gemeinden und von einer deutlichen Bereitschaft zur Zusammenarbeit. In der Lippischen Landeskirche bestehen die beiden konfessionellen Prägungen reformiert und lutherisch nebeneinander. Die Gespräche über mögliche Änderungen dieser bisherigen Struktur sind nach Noltensmeiers Auffassung „dringlich und vielleicht auch verheißungsvoll“.
In der Struktur des Detmolder Landeskirchenamtes ist in den vergangenen Jahren vieles geändert worden. Seit 1995 wurden dort 12,5 Stellen eingespart: „Damit scheint die Grenze des Möglichen erreicht“, sagte der Landessuperintendent.
Nachdenken über Veränderungen „ohne Tabus und ohne vorher abgesteckte Reservate“ sei in dem Prozess der Entwicklung eines Leitbildes angezeigt, auf den sich die Landeskirche mit Hilfe eines Beratungsunternehmens begeben hat. Das Leitbild solle hilfreiche Kriterien für den künftigen Weg der Landeskirche definieren. Die Synode wird über den Fortgang dieses Prozesses beraten und entscheiden.
Noltensmeier warb in seinem Bericht mit Nachdruck dafür, die evangelischen Kirchen in Lippe offen zu halten: „Offene Kirchentüren unterstreichen die lebendige Offenheit der Kirche. Sie bitten die, die draußen sind, hereinzukommen; sie lassen die, die drinnen sind, hinausgehen in jenem fortgesetzten, lebendigen Wechselspiel von Sammlung und Sendung.“

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